Theaterworkshop Klasse 9/10
zur Pflichtlektüre Deutsch oder:
Prüfungsvorbereitung ganz praktisch

1. Die Qual 

Hiba quält sich durch den Text. Für ihre Abschlussprüfung muss sie "Nathan und seine Kinder" von Miriam Pressler lesen. Sie hält inne und schaut mich fragend an: "Was ist eigentlich eine Witwe?"

2. Hibas Traum

Hiba ist 16 Jahre alt und kam vor sechs Jahren mit ihren Eltern aus Syrien. Die Flucht dauerte mehrere Monate. Als sie in Deutschland ankam, wurde sie mit 10 Jahren in die 3. Klasse eingeschult. "Die ersten zwei Jahre habe ich gar nichts verstanden!" sagt Hiba im Rückblick. Auch heute noch fehlen ihr viele Wörter, um komplexere Texte richtig zu erfassen.
Aber Hiba kämpft. Sie will im Frühjahr den Hauptschulabschluss schaffen. Ihr großes Ziel:
eine Ausbildung zur Krankenschwester!

3. Die zündende Idee

Hiba liest weiter. Und ich stelle fest: Das Buch ist selbst für mich als Muttersprachlerin eine Herausforderung - mit all den Personen und Informationen, den Beziehungen und Verwicklungen...
Während wir über die Handlung des Buches sprechen - über Recha, die vom Tempelritter gerettet wird und in ihm einen Engel sieht - wirft sich Hiba in Pose:  Mit erhobenen Händen und schmachtender Stimme ruft sie theatralisch: "Oh, mein Engel - du mein Retter!"
Ich muss lachen.
Und da ist sie - die zündende Idee:
So wie Hiba geht es vielen Jugendlichen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Sie alle müssen in der 9. Klasse die gleiche Pflichtlektüre für die Deutschprüfung lesen.
Sie alle kämpfen mit den gleichen Problemen...
Die Lösung: ein Theaterworkshop als Prüfungsvorbereitung!

4. Der Plan

Wir entwickeln in jedem Schuljahr einen Theater-Workshop speziell für Neuntklässler, die sich auf den Hauptschulabschluss vorbereiten bzw. für Zehntklässler, die auf die Realschulprüfung lernen. (Zur Realisierung unserer Idee haben wir die Ferry-Porsche-Stiftung angefragt.)

  • Inhalt des Workshops: Auseinandersetzung mit der für alle verbindlichen Ganzschrift - durch theaterpädagogische Mittel
  • Ziel: Prüfungsvorbereitung auf andere Art - dies könnte gerade Nicht-Muttersprachler darin unterstützen, die Lektüre zu durchdringen. Das Angebot ist niederschwellig, ohne Vorerfahrungen und auch mit einfachen Deutschkenntnissen machbar. Die Jugendlichen können ihre eigenen Lebenserfahrungen mit den Figuren in Beziehung setzen. So wird das Buch zum Leben erweckt.
  • Dauer: 4 Doppelstunden a 90 min 
  • Kosten: 350,- Euro inkl. Vor- und Nachbesprechung
  • Synergie: Mehrere Klassen einer Schule könnten den Workshop nacheinander buchen.
  • Möglicherweise wäre darüber hinaus auch eine Fortbildung für Deutschlehrkräfte sinnvoll, welche Abschlussklassen unterrichten. Somit würde die Idee "multipliziert".

 

Der Workshop würde zum einen die Deutschlehrkräfte bei ihrer Arbeit und zum anderen die Jugendlichen in ihrem Lernen unterstützen.
Dadurch ist die Idee auch ein kleiner Schritt auf dem Weg zu mehr "Bildung und Teilhabe".
Natürlich wäre der Workshop ein Angebot für alle - nicht nur für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese profitieren aber besonders von einer Herangehensweise, die über das vorwiegend Sprachliche und Kognitive hinausgeht.